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Protokoll zum Wanderseminar des Altenburger Trialogs vom
17. April 2012
Thema : Soll ich wirklich alles schlucken?
Die Moderation hatte Frau Dr. Katrin Hinkel inne, Herr Martin Sandlaß hielt das ein­
leitende Impulsreferrat für die 17 Teilnehmer und das Protokoll führte Herr Rainer
Stötter.
Inhaltsverzeichnis
Protokoll zum Wanderseminar des Altenburger Trialogs vom 17. April 2012.1
Thema : Soll ich wirklich alles schlucken?.1 Zum Titel.3Rolle von Medikamenten.3Heilungsfaktoren.3Medikamente zur Rezidivprophylaxe und das Rückfallrisiko.3Wirkprinzip von Antipsychotika.4Typen von Medikamenten.4 Allgemeine Typologie nach dem Wirkungsspektrum.4nach der Potenz.4nach dem Verordnungszeitraum.4 Wie lange muß ich ein Medikament einnehmen?.5Die Wichtigkeit der regelmäßigen Einnahme.5Wie wichtig sind Rückmeldungen der Patienten?.5Auf die richtige Einnahme kommt es an.5Pause.5Was ist ein Medikament?.5Verlaufsformen der psychiatrischen Erkrankungen .5weitere Diskussionen.5 Moderne Ideen der Behandlung in der Krisenzeit.6Neuroleptika und Verweildauer.6Zwangsmedikation.6Richtige Behandlung eines schizophrenen Menschen in der akuten Krise.6Der Arzt sollte die Nebenwirkungen ernst nehmen.6Individueller veraordnete Medikamente.6Negativsymptomatik.6Gewichtszunahme.7 Metabolisches Syndrom.8Weglaufhaus.8Home Treatment.9 Diskussion
Ablauf
Nach einer kurzen Einführung mit Bekanntmachungen von Frau Dr. Hinkel eröffnet
Dr. Sandlaß das Psychoseseminar. Dr. Sandlaß hat den Trialog schon in Leipzig ken­
nengelernt.
Teaser des Flyers vom Psychoseseminar
Über die Verwendung von Neuroleptika kann trefflich gestritten werden. Die einen
empfinden die Gabe der Präparate als Segen, während die anderen die Medikamente
insbesondere wegen ihrer Nebenwirkungen verteufeln. Sind die Psychopillen nun
Fluch oder Segen?
Zum Titel
Der Titel „Soll ich wirklich alles schlucken?“ impliziert nicht nur die Einnahme von
Medikamenten, sondern überhaupt das Schlucken und Wegstecken von negativen Er­
fahrungen.
Rolle von Medikamenten
Es stellt sich die Frage, wie das Medikament für den Einnehmenden wohl als Person
aussehen würde? Insgesamt betrachtet sind Medikamente nur ein kleiner Baustein in
der Therapie einer psychiatrischen Erkrankung. Der Betroffene hat wohl immer
Bauchschmerzen, wenn er Medikamente einnimmt.
Heilungsfaktoren
• Familiäre Beziehungen• Vermeidung von Drogen und/ oder Alkoholmissbrauch• Früherkennung• Gutes Ansprechen auf Medikamente• Ringen um Autonomie (wie kann ich trotzdem selbstbestimmt leben?)• Kognitive Fähigkeiten aufrecht erhalten• Soziale Ressourcen (auch der Beruf gehört dazu)• Unterstützende Therapie• Die eigene Vorgeschichte (Verständnis, wie ich so geworden bin)• Eine individuelle Behandlung Medikamente zur Rezidivprophylaxe und das Rückfallrisiko
Ohne Antipsychotika steht der Betroffene schlechter da.
Wirkprinzip von Antipsychotika
Es gibt im Gehirn Teile mit zu viel und zu wenig Dopamin an den Rezeptoren. Lie­
gen zu viele Dopaminanteile an den Rezeptoren vor, dann erfolgt die Blockade des
jeweiligen Rezeptors. Das Neuroleptikum tut so, als sei es Dopamin und dockt damit
an die jeweiligen Rezeptoren an.
Typen von Medikamenten
Allgemeine Typologie nach dem Wirkungsspektrum
• Benzos (Benzodiazepine) wie etwa Tavor oder Faustan• Stimmungsstabilisatoren arbeiten prophylaktisch und kappen die Spitzen der • Antidepressiva• Anticholinergika wirken gegen Nebenwirkungen von Antipsychotika nach der Potenz
nach dem Verordnungszeitraum
• Typische Neuroleptika sind schon lange auf dem Markt • Moderner sind die atypischen Neuroleptika Rückfallrisiken
Das Rückfallrisiko ist abgemildert bei der Gabe von Neuroleptika. 70 % Risiko ohne
Neuroleptika und 20 % mit Neuroleptika.
Nebenwirkungen
• EPMS (extrapyramidal­motorische Störungen) • metabolisches Syndrom (Diabetes, Bluthochdruck usw.) Gewichtszunahme
Die Aussage „Versuchen Sie, Ihre Essgewohnheiten zu kontrollieren“, erntete keinen
großen Beifall. Insbesondere bei Medikamenten, die Heißhunger verursachen wie
etwa Zyprexa, ist die Einhaltung dieses Ratschlags fast unmöglich.

Wie lange muß ich ein Medikament einnehmen?
• Als Erstpatient 1 Jahr• Nach mehreren akuten Phasen etwa 5 Jahre• Manchmal gar ein Leben lang Die Wichtigkeit der regelmäßigen Einnahme
Wer seine Neuroleptika unregelmäßig einnimmt, der riskiert stärkere Nebenwirkun­
gen und ein erhöhtes Rückfallrisiko.
Wie wichtig sind Rückmeldungen der Patienten?
Spätestens nach Messung des Serumspiegels stellt es sich heraus, ob der Patient seine
Medikamente auch wie verordnet eingenommen hat. Falls er sich nicht an die Verord­
nung gehalten hat, dann ist es immens wichtig, herauszufinden, warum der Patient
keine Medikamente mehr einnimmt. Vertrauen zum Arzt ist also wichtig, damit man
auch auf die unangenehmen Dinge eingehen kann.
Auf die richtige Einnahme kommt es an
25 % der Patienten beim Allgemeinarzt nehmen ihre Medikamente falsch ein und 50
% der Patienten beim Psychiater.
Pause
Was ist ein Medikament?
Ein Medikament heilt etwas. Ritalin hat also streng genommen keine Wirkung, weil
nach dem Absetzen die Symptome erhalten bleiben.
Verlaufsformen der psychiatrischen Erkrankungen
Die Ursachen für diese Verteilung sind nicht bekannt. Es werden eben nur die Sym­ptome bekämpft. Zudem gilt ja auch das Vulnerabilitäts­Stress­Modell weitere Diskussionen
30 % bis 70 % der Behandelten haben je nach Störungsmuster einen Rückfall.
Das Bild des Psychiaters in der Öffentlichkeit hat sich in den letzten zehn Jahren stark verändert.
Deutschland hinkt bei den Reformen anderen Ländern wie etwa Italien und Norwe­gen um viele Jahre hinterher.
Moderne Ideen der Behandlung in der Krisenzeit
Moderne Ideen sind das Weglaufhaus und auf der anderen Seite der Ansatz, die Kran­
ken daheim zu belassen während der Krise und die Angehörigen in der Klinik aufzu­
nehmen. Die Idee der Bezugsfamilie. Das Hometreatment wurde in Finnland erfun­
den. Finnland ist ohnehin viel weiter als Deutschland und hat durch einen anderen
Ansatz eine bessere Psychosenbehandlung.
Neuroleptika und Verweildauer
Neuroleptika haben die Zeit in der Klinik während der akuten Krise auf durchschnitt­
lich drei Monate verringert.
Zwangsmedikation
Die Zwangsmedikation hat eigentlich ausgedient und sollte nur noch angewendet
werden, wenn der Betroffene sich selbst oder andere gefährdet.
Richtige Behandlung eines schizophrenen Menschen in der akuten Krise
In der akuten Krise lassen sich die Patienten kaum ablenken von ihren psychotischen
Inhalten. Wie behandle ich einen akut Schizophrenen am besten? Ernst nehmen und
doch nicht mit seiner – anderen ­ eigenen Wahrnehmung hinter dem Berg halten: „Du
nimmst das jetzt so wahr und ich nehme es eben gerade anders wahr.“
Der Arzt sollte die Nebenwirkungen ernst nehmen
Viele Betroffene fühlen sich bezüglich der von ihnen berichteten Nebenwirkungen
nicht für ernst genommen. Die Schachtel wird dann in der Apotheke geholt und lan­
det dann sofort im Mülleimer. Besser ist es dann allemal, sich mit dem Arzt zusam­
menzusetzen und sich mit ihm zu besprechen.
Individueller veraordnete Medikamente
Eine personenzentriertere Medikation ist vonnöten. Alte Patienten reagieren anders
als junge und Männer anders als Frauen usw. Zudem ist es nötig, sich mit seiner Er­
krankung auch auseinanderzusetzen.
Negativsymptomatik
Die Negativsymptomatik kam im Vortrag recht kurz. Das liegt daran, dass nur die
hochakuten Phasen im Mittelpunkt standen. Der schwerste Schritt ist die Akzeptanz
der Erkrankung.
Gewichtszunahme
Die Problematik der Gewichtszunahme betrifft viele der Patienten. Ein Betroffener
berichtet davon, 16 Kilogramm in den ersten drei Monaten. Nach dem Aufenthalt in
der Klinik setzte der Betroffene das Medikament selbständig ab. Also bekam er we­
gen der fehlenden Compliance regelmäßig eine Depotspritze mit Risperdal verab­
reicht. Nach vier Jahren hatte er 40 Kilogramm zugenommen. Inzwischen versucht
der Betroffene sein Glück mit pflanzlichen Mitteln.
Ein anderer Betroffener berichtet davon, durch Zyprexa drei Jahre lang monatlich je
ein Kilo zugenommen zu haben und damit 50 % Mehrgewicht auf der Waage zu ha­
ben.
Definitionen und Erläuterungen
Metabolisches Syndrom
Das metabolische Syndrom (manchmal auch als tödliches Quartett, Reavan-Syndrom
oder Syndrom X[1] bezeichnet) wird heute als der entscheidende Risikofaktor für ko-
ronare Herzkrankheiten angesehen. Es ist charakterisiert durch diese vier Faktoren:
abdominelle Fettleibigkeit, Bluthochdruck (Hypertonie), veränderte Blutfettwerte
(Dyslipidämie) und Insulinresistenz. Die Erkrankung entwickelt sich aus einem Le-
bensstil, der durch permanente Überernährung und Bewegungsmangel gekennzeich-
net ist und betrifft einen hohen Anteil der in Industriestaaten lebenden Bevölkerung.
Die Definition des metabolischen Syndroms wurde in den letzten Jahren wiederholt
geändert. Eine allgemein akzeptierte Definition gibt es bislang nicht. Die Klassifika-
tion orientiert sich zumeist entweder an der Insulinresistenz (Insulinresistenzsyn-
drom, WHO-Klassifikation 1999) oder dem Lebensstil (NCEP-ATP-III). Einen welt-
weit gültigen ICD-10-Code gibt es nicht, in Deutschland erlaubt der DIMDI-Thesau-
rus die Erfassung mit dem Code E.88.9 „Stoffwechselstörung, nicht näher bezeich-
net“. Da aber gemäß der Deutschen Kodierrichtlinie (DKR) D004d kein spezifischer
Kode innerhalb des ICD-10-Kataloges vorhanden ist, sind die einzelnen Manifesta-
tionen innerhalb des G-DRG-Systems zu verschlüsseln.

Weglaufhaus

Ein Weglaufhaus ist ein Zufluchtsort für Menschen, die psychiatrische Behandlungen
meiden wollen oder eine Alternative zur herkömmlichen psychiatrischen Behandlung
suchen. In den 1970er Jahren entstanden in den Niederlanden erste „Wegloophuizen“
durch die Gekken­Bewegung, Selbsthilfegruppen von psychisch kranken Patienten
Vertreter der Antipsychiatrie behaupten, ein Kontakt mit der Psychiatrie beinhalte im­
mer das Risiko, Opfer von körperlicher oder psychischer Gewalt zu werden und
Schäden in vielerlei Hinsicht zu erleiden (z. B. durch Zwangseinweisung oder
Zwangsbehandlung mit Psychopharmaka). Weglaufhäuser bieten im Rahmen des
Selbsthilfegedankens alternative Methoden im Umgang mit den betroffenen Men­
schen an, in denen die Ideen einer nutzergetragenen Antipsychiatrie umgesetzt wer­
den.
Ein Weglaufhaus kann demnach Zuflucht bieten für:
• psychisch kranke Menschen oder ehemalige psychiatrische Patienten, die ob­ dachlos oder von Obdachlosigkeit bedroht sind, • Menschen, die aus psychiatrischen Einrichtungen weglaufen, • Menschen, die eine psychiatrische Behandlung brauchen, aber eine Alternative zu herkömmlichen Behandlungsmethoden suchen.
Typische Merkmale der Arbeit in einem Weglaufhaus sind: • Verzicht auf Psychopharmaka, soweit möglich, • Krisenbewältigung und Hilfe zur Selbsthilfe Home Treatment
Home Treatment (englisch für Heimbehandlung) ist eine Behandlung, bei der ein Be­
handlungsteam akut psychiatrische Patienten in gewohnter Umgebung versorgt. Das
Team besteht aus Pflegern, Sozialarbeitern und Psychiatern. Home Treatment (HT)
soll zu einer Reduzierung der Verweildauer in der stationären Versorgung führen. An­
geboten wird HT in Berlin, Detmold, Frankfurt am Main, Günzburg, Geesthacht,
Hamburg, Krefeld, Nauen und Itzehoe. Entsprechende Krisenwohnungen gibt es in
Bremen, Berlin und Solingen.
Je nach Klinik gibt es unterschiedliche Schwerpunkte. Typische Organisation ist: pro
Patient wöchentlich mindestens drei Hausbesuche, davon mindestens einer mit Arzt.
Im Bedarfsfall sind auch mehrere Besuche möglich, täglich bis zu drei. Der Umfang
und die Art der Kontakte (Hausbesuche, Telefonate) wird im Einzelfall festgelegt.
Einmal wöchentlich findet in der Klinik die Oberarzt­Visite bei bestimmten Patienten
statt. Zusätzlich gibt es über jeden Patienten eine wöchentlich stattfindende Fallbe­
sprechung mit Oberarzt, Arzt, Pflegepersonal, Sozialarbeiter, in der der bisherige
Therapieverlauf sowie weitere Behandlungsziele reflektiert, festgelegt oder gegebe­
nenfalls modifiziert werden.
Entwicklung
Um 1960 wollte man eine gemeindenahe therapeutische Versorgung und dass sich die
geschlossenen psychiatrischen Institutionen öffnen. Daraus entwickelte sich 1964 die
„Crisi Theory“ Caplan und 1980 das ACT­Modell „Stein und Test“, 1971 in Denver;
von dort ist die Verbreitung vor allem in Englischsprachigen Ländern dokumentiert.
Aber auch in Pai und Lapur 1983 und später im Skandinavischen Raum. Seit 2002
gibt es Pilotprojekte in Deutschland.
Behandlungsergebniss
Erste Ergebnisse deuten die Effektivität einer humaneren Behandlungsform an. Da­
nach ist HT der stationären Behandlung entweder gleichwertig oder geringfügig über­
legen. Auch erwies sich das soziale Funktionsniveau der HT­Patienten als besser. Die
Angehörigen waren mit dieser Behandlungsalternative zufriedener und fühlten sich
mehr entlastet als durch einen stationären Aufenthalt. Diese Ergebnisse zeigen sich
auch in anderen Modellversuchen und Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutsch­
land und in anderen Ländern wie Großbritannien, wo die generelle Umstellung auf
mobile Kriseninterventionsteams am stärksten durchgeführt wurde.

Source: http://www.einblicke-altenburg.de/files/Material/Protokoll-2012-04-17-Soll%20ich%20wirklich%20alles%20schlucken.pdf

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